Anti-AKW-Bewegung II: Die Schlacht um Brokdorf

Mitte der 1970er Jahre nahm die Anti-AKW-Bewegung Fahrt auf. Viele Bürger*inneninitiativen kämpften nun dafür, geplante oder sogar schon in Bau befindliche Atomkraftwerke zu verhindern. Auch immer mehr radikale Linke mischten sich ein. So auch in der Auseinandersetzung um das seit 1975 in Bau befindliche Atomkraftwerk im schleswig-holsteinischen Brokdorf.

1976 wurde gerichtlich ein vorläufiger Baustopp verhängt, und seitdem kämpfen die verschiedenen Akteur*innen der Anti-AKW-Bewegung dafür, dass der Bau nie wieder begonnen werde. Demonstrierten im Oktober 1976 noch 5.000 Menschen gegen das Kraftwerk, waren es im November schon 30.000. In der sogenannten „Schlacht um Brokdorf“ wurden hunderte Demonstrierende verletzt. Immer wieder flogen Steine und Stahlkugeln gegen die Sicherheitskräfte.

Anfang 1977 beschloss ein Gericht einen generellen Baustopp am Atomkraftwerk. Wieder demonstrierten Zehntausende. Doch Ende 1980 wurde eine Teilerrichtungsgenehmigung erteilt und am 6. Februar 1981 wurde mit dem Weiterbau begonnen.

Als Reaktion darauf kündigen 50 Anti-AKW-Organisationen eine unangemeldete Großdemonstration für den 28. Februar 1981 an. Die Ordnungsbehörden versuchten, diese Demonstration per Allgemeinverfügung zu verhindern. Polizeisperren wurden am Morgen der Demonstration von Tausenden Demonstrierenden überrannt. Schließlich waren 100.000 Menschen auf der Demonstration, von denen sich 20.000 bis zum Bauzaun durchschlugen, teilweise über kilometerlange Fußmärsche. Die Polizei versuchte, sie mit SEK, Tränengas, Wasserwerfern und tieffliegenden Hubschraubern zu vertreiben, wogegen sich 3.000 Militante mit Steinen, Wurfgeschossen und Molotow-Cocktails zur Wehr setzten.

Es war die bis dahin größte Demonstration in der Geschichte der Bundesrepublik – mit weitreichenden Konsequenzen: 1985 wurde das Versammlungsverbot höchstinstanzlich für unzulässig erklärt. Trotzdem wurden auch bei späteren Demonstrationen am AKW Brokdorf massiv Grundrechte verletzt: nachdem am 7. Juni 1986 die Polizei Menschen angriff, die unterwegs zu einer Demo in Brokdorf waren, wurde am Folgetag in Hamburg eine Spontandemonstration gegen Polizeiwillkür abgehalten. Im sogenannten „Hamburger Kessel“ wurden daraufhin 861 Menschen bis zu 13 Stunden lang von der Polizei festgehalten. Ihnen wurde teilweise stundenlang der Gang zur Toilette verwehrt. Der Polizeieinsatz wurde für rechtswidrig erklärt. Das AKW Brokdorf ging im Oktober 1986 trotz allen Widerstands ans Netz.

Massive Repressionen sind also auch in der Klimabewegung nichts Neues – umso nötiger ist es, sich kollektiv und solidarisch gegen diese zur Wehr zu setzen. Die Polizei ist für progressive Bewegungen niemals Freund oder Helfer.

Im nächsten Teil: Der WAAhnsinn von Wackersdorf…

Weiterführende Links

Gundula Geuther: »Die Demo, die die politische Kultur veränderte«, Deutschlandfunk Kultur, 19. Juli 2017.

»Wie wir es sehen: Brokdorf 28.2.81 – unser Kampf gegen Atomenergie«, Dokumentation der BUU Pinneberg und der Pinneberger Alternativzeitung Der Anfang, 1. April 1981.

Komitee für Grundrechte und Demokratie: »Bericht über Brokdorf am 22.2. 1981. Das Demonstrationsrecht ist unverkürzt zu erhalten«, März 1981.

»Hamburg Heiligengeistfeld 8. Juni 1986. Polizeiterror gegen AKW-Gegner/innen: 800 Menschen einen Tag eingekesselt«, Dokumentation zum »Hamburger Kessel«.