Anti-AKW-Bewegung IV: Gorleben und die Republik Freies Wendland

Bei der Nutzung von Atomenergie entsteht radioaktiver Abfall („Atommüll“), und zwar in einem großen Ausmaß: 

Jährlich werde 12.000 Tonnen Atommüll erzeugt. Radioaktive Nuklide, die sich in abgebrannten Brennstäben finden, strahlen oft noch Millionen von Jahren radioaktiv. Während der frühen Phase der Nutzung von Atomenergie in den 1960er Jahren wurde wenig über Endlagerung und die Ewigkeitsfolgen nachgedacht: Atommüll wurde einfach in den Meeren entsorgt; zudem war geplant, radioaktive Abfälle in den Weltraum zu schießen. Glücklicherweise konnte dieses Vorhaben bislang gestoppt werden; auch die Entsorgung von Atommüll im Meer wurde 1994 verboten.

Die Regierung der BRD begann 1973 mit der Suche nach einem Atommüll-Endlager. Die Suche fokussierte sich dabei insbesondere auf alte Salzbergwerke, darunter war auch der Salzstock Gorleben. In der Region formierte sich Widerstand, und schon im März 1977 kamen Zehntausende Menschen zu Anti-Atomkraft-Kundgebungen zusammen. Der „Gorleben-Treck“ 1979 brachte sogar 100.000 Teilnehmende auf die Straße. Ab dem Jahr 1980 wurde der Boden bei Gorleben mit Tiefbohrungen erkundet. Zwar fanden kleinere Besetzungsaktionen gegen diese Bohrungen und damit verbundene Waldrodungen statt, doch diese waren erfolglos.

Am 3. Mai 1980 wurde darum eine Waldlichtung, auf der eine Tiefbohrstelle geplant war, von Tausenden Menschen besetzt und dort die „Republik Freies Wendland“ ausgerufen. In den folgenden Tagen und Wochen entstand ein Hüttendorf mit 120 Hütten, es wurden eigene „Wendenpässe“ ausgegeben, eine Grenzübergangsstation eingerichtet und Flagge und Wappen eingeführt. 500 Besetzer*innen wohnten dauerhaft in der Republik und organisierten sich basisdemokratisch. Die Unterstützung aus der Region war groß.

Am 4. Juni 1980 wurde das Hüttendorf von Polizei und Bundesgrenzschutz geräumt. Bis zu 6.000 Einsatzkräfte räumten die Besetzer*innen mit zum Teil brutaler Härte. In ganz Deutschland kam es zu Solidaritätsaktionen. Trotz der Räumung wurde die Ausrufung der „Republik Freies Wendland“ zum prägenden Ereignis der deutschen Anti-AKW-Bewegung. Die „Freie Republik Wackerland“ an der geplanten Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf bezog sich im Namen auf das wendländische Vorbild.

Mit der Räumung des Hüttendorfs endete die Anti-AKW-Bewegung im Wendland aber keineswegs: Bis heute existieren Bürger*inneninitiativen, eine aktive linksalternative Szene und ein Netzwerk politisch Aktiver im Wendland, die wesentlich auf die Anti-AKW-Bewegung zurückgehen. Zwar konnte die Einrichtung eines Atommüll-Zwischenlagers in Gorleben nicht verhindert werden, inzwischen ist der Salzstock Gorleben jedoch aus der Suche nach einem Atommüll-Endlager ausgeschieden. Gegen regelmäßig stattfindende Transporte von hochradioaktivem Abfall in Castoren gibt es regelmäßig Widerstand und Blockaden.

Weiterführende Links

Republik Freies Wendland im Gorleben-Archiv:
gorleben-archiv.de/chronik/huettendorf/