Der Kampf ums Gold in Nordgriechenland

Ähnlich lange wie den Abbau von Gold (seit den Zeiten Alexanders des Großen) gibt es in Nordgriechenland auch den Widerstand dagegen. In Chalkidiki gab es von 2010 bis 2015 nicht nur Massenproteste, sondern auch militante Aktionen mit direkten Konsequenzen für das Minenprojekt selbst. Es folgte eine große Welle polizeilicher Repression und die regelrechte Zerschlagung der Bewegung. Einige mutige Aktivist*innen machen weiter – und zeigen, dass der Kampf gegen Privatisierung und Umweltzerstörung noch lange nicht zu Ende ist.

Schon seit 2006 formierte sich breiter Widerstand in der lokalen Bevölkerung der bekannten Urlaubsregion gegen die erwartete Umweltkatastrophe und ihre sozialen und wirtschaftlichen Folgen, besonders für den Tourismus und die Landwirtschaft: Das Verschwinden ganzer Wälder, Staub in der Luft, Gifte in Grundwasser und Meer könnte die Gegend in ein Niemandsland verwandeln. Zwar entstanden und entstehen Jobs durch den Goldabbau, allerdings wird beim Wegbrechen anderer Wirtschaftszweige wiederum ein Jobabbau und die Auswanderung der Jugend befürchtet. Von dem erwarteten Milliardengewinn soll außerdem fast nichts in die Staatskasse fließen. Schon der Ausverkauf des Lands und der Abbaurechte galt als »Schnäppchen«: 2003 wurden die sogenannten Kassandra-Minen und ein etwa 300 Quadratkilometer großes Areal der Firma »Hellas Gold« für 11 Millionen Euro überlassen. 2011 wurde »Hellas Gold« von der kanadischen Firma »Eldorado Gold« für 1,8 Milliarden übernommen. Bis zu 14 Milliarden Euro Gewinne sind möglich und Griechenland könnte zu einem der größten Goldlieferanten Europas aufsteigen.

Die Argumente der Gegenseite, die Goldminen würden Arbeitsplätze schaffen und die ökologischen Auswirkungen seien wissenschaftlich untersucht worden, akzeptiert außer den Minenarbeiter*innen selbst und deren Angehörigen niemand. Der großen Mehrheit ist das Risiko für die ganze Region zu hoch – ohnehin bliebe vom Goldabbau kein Geld in der lokalen Verwaltung oder der Staatskasse hängen.

Die Minen in Chalkidiki sollen nicht die einzigen im Norden Griechenlands bleiben. Im Rahmen des Krisenprogramms und des Ausverkaufs des griechischen Staates, die mit der Verwertung jeglicher Rohstoffe und der Privatisierung öffentlicher Güter einhergehen, sollen in Kilkis und in der Nähe von Alexandroupolis weitere Minen eröffnet werden. Aber auch dagegen organisiert sich schon lokal Widerstand – vernetzt mit der Bewegung in Chalkidiki.

Seitdem das Vorhaben der »Hellas Gold« damals bekannt wurde, hat sich Chalkidikis Bevölkerung reorganisiert. Seine endgültige Zuspitzung fand der Kampf im Februar 2013, als sich etwa 40 vermummte Aktivist*innen Zugang zur Skouries-Mine verschafften und Fahrzeuge, Maschinen und Büroräume in Brand steckten. Das löste enormes mediales Aufsehen aus. Direkt am Tag nach dem Anschlag besuchte der »Minister zum Schutz des Bürgers« Nikos Dendias die Baustelle und versprach, die Täter zu fassen. Ministerpräsident Antonis Samaras wollte »die ausländischen Investitionen in diesem Land um jeden Preis schützen«. 

Nach dem Anschlag eskalierte die Repression gegen die Bewohner*innen. Täglich fanden Hausdurchsuchungen statt, auch Festnahmen mit DNS-Abnahmen. Manchen Festgenommenen wurde einen ganzen Tag lang der Kontakt zur Familie oder einem anwaltlichen Beistand verweigert. Ein Mitglied der linken Partei SYRIZA wurde verhaftet, weil es durch öffentlichen Aufruf zum Protest zur Tat angestiftet haben soll. Bis Anfang März 2013 dauerte die polizeiliche Operation, an der auch die Antiterroreinheit beteiligt war. Kürzlich berichteten Medien, dass auf Basis von DNS-Abgleichen mit am Tatort gefundenen Kleidungsstücken und Zigarettenstummeln sowie von Handy-Ortungsdaten gegen 20 Aktivist*innen aus der Region schwere Vorwürfe erhoben wurden, die aber noch nicht personalisiert worden sind. Einige der Vorwürfe lauteten: Gründung einer kriminellen Vereinigung, versuchter Mord und Besitz von Sprengstoffen. Parallel dazu gab es Prozesse gegen Aktivist*innen wegen Vergehen auf Demonstrationen.

Zwei Wochen nach dem Anschlag protestierten in Megali Panagia, dem Dorf in direkter Nähe der Skouries-Mine, von der Firma mobilisierte Arbeiter*innen und Angehörige gegen den Widerstand. Einer der prominentesten Redner war Adonis Georgiadis, früher Mitglied der rechtspopulistischen Partei »LA.OS«. Am selben Tag veröffentlichte die Firma in Zeitungen eine ganzseitige Anzeige mit Fotos der Arbeiter*innen, die ihren Arbeitsplatz verteidigten.

Die Gegenmobilisierung seitens der Firma und des Staates hat eine ebenso lange Geschichte wie die Proteste selbst. Sicher scheint aber, dass der Widerstand auf Grund seiner Geschichte und auch der vielfältigen Zusammensetzung nicht so schnell untergehen wird. Wichtig ist dabei vielen Protestierenden die Vernetzung mit ähnlich Betroffenen nicht nur im Norden Griechenlands, sondern auch mit Protesten gegen andere Großprojekte in ganz Europa. Die letzten größeren Proteste gab es im Rahmen des internationalen ökosozialen »Beyond Europe«Camps im Sommer 2015. Die Aktivist*innen in Megali Panagia und anderen Dörfern freuen sich aber auch weiterhin über Besuche von interessierten Leuten.

Der Widerstand gegen die Goldminen hat starke Ähnlichkeit mit Kämpfen gegen andere Großprojekte im europäischen Raum. Der ökosoziale Charakter, die breite Beteiligung verschiedener Teile der Bevölkerung und die Erfahrung von Solidarität und Selbstermächtigung durch die Vielfalt der Aktionsformen erinnern an die Auseinandersetzungen um den Bau des Hochgeschwindigkeitszugs TAV im Susa-Tal in Italien oder gegen die Castor-Transporte im Wendland.

Weiterführende Links

John Malamatinas: »Goldene Versprechungen – dunkle Zukunft«, Lower Class Magazine, 7. August 2015.

Juan Miranda: »The Plankton Glows at Night. Lessons from the Beyond Europe Camp in Chalkidiki, Greece«, Lower Class Magazine, 31. August 2015.

Dokumentation »ELDORADO – The Struggle for Skouries«, 65 min, 2019.