Startbahn West: Der Kampf um die Startbahn

Anfang der 80er Jahre wurden erstmals Pläne der FAG (Flughafen-Aktiengesellschaft) bekannt, die eine weitere Expansion des Flughafens in Richtung Westen vorsahen. Die geplante Startbahn-West sollte mit einer 4km langen und 600m breiten Betontrasse das letzte zusammenhängende Waldgebiet, den Mönchbruchwald, ein seit Generationen gewachsener Mischwald mit einem für Hessen einmaligen Feuchtbiotop und das einzige noch relativ unberührte Naherholungsgebiet für 500.000 Menschen der Industriemetropole Rhein-Main, in zwei Teile schneiden. Der Widerstand der Bevölkerung gegen eine Flughafenerweiterung begann bereits 1965 und war anfangs fast ausschließlich auf verfahrensrechtliche Fragen und Einsprüche fixiert. Direkte Aktionen begannen erstmals mit dem Bau des Widerstandsdorfes 1980 im Flörsheimer Wald. Dieses Hüttendorf wurde in den folgenden Jahren zu einem Symbol des Widerstandes und wurde einmalig in der Geschichte der BRD von einer Parteienaktionsgemeinschaft Mörfelden-Walldorf, bestehend aus SPD, CDU, FDP und DKP unterstützt, die u.a. auch eine Hungerstreik-Aktion durchführte.

Der Höhepunkt der »Keine Startbahn-West-Bewegung«, die auch bundesweite Bedeutung für die aktive Linke in der Verzahnung von Militanz und Protest erlangt hatte, lag im Herbst 1981, als die bis dahin größte Polizeiarmada der deutschen Nachkriegsgeschichte versuchte, das Hüttendorf zu räumen. Nach der Auflösung eines Gottesdienstes durch die Polizei eskalierte von ihrer Seite aus die Räumungsaktion, in deren Verlauf unzählige Verletzte und sechs Schwerverletzte gezählt wurden. Die daraufhin entstehenden Spontan-Demonstrationen, die vor allem einen Stopp der Rodungsarbeiten bis zur Durchführung des von den Startbahngegnern initiierten Volksbegehrens forderten, gipfelten schließlich in einer Kundgebung von 150.000 Menschen vor dem Wiesbadener Landtag und der teils sehr anschlussfähigen, teils militanten Flughafen- und Autobahnbesetzung. Nach Ablehnung des Antrags des Volksbegehrens auf juristischem Weg und einer letzten gescheiterten Platzbesetzung im Januar 1982 wurde der Ausbau zügig vorangetrieben.

Neben dem ökologischen Schwerpunkt gab es auch von Anfang an eine Auseinandersetzung um die militärisch-strategische Bedeutung des Flughafens. Die damalige Rhein-Main-Air-Base als Teil des Flughafens wurde als Militärflughafen von Galaxy- und Starlifter-Transportmaschinen benutzt. Dieser Militärflughafen spielte im militärischen-hegemonialen Streben der USA als imperialistische Weltmacht eine zentrale logistische Rolle und wurde zum wichtigsten Umschlagspunkt in Europa für Waffen und Soldaten im Irak-Krieg der USA.

Mit zunehmendem Widerstand und anhaltender Erfolglosigkeit juristisch-demokratischer Aktionsformen gewann der militante Widerstand an der Startbahn-West eine zunehmende Bedeutung. Es kam zu zahlreichen Aktionen gegen beteiligte Baufirmen, öffentliche Ämter und Kapitalgesellschaften. Dabei verankerten sich militante Aktionsformen in immer breiteren Bevölkerungskreisen, bis hin zum Strom-Mast-Fällen. Bei letzterem kam es zu einem tragischen Zwischenfall, der fast das Leben einer Aktivistin gekostet hätte und in der Szene scharfe Reaktionen hervorrief. Über Jahre hinweg kam es zu nächtlichen und sonntäglichen (im Rahmen des Sonntagsspaziergangs zur Startbahn-West-Mauer und Besuch des legendären Kuchenstandes der BI Mörfelden-Walldorf) Angriffen auf die Startbahn-West, in dessen Rahmen sporadisch auch (wieder) Molotow-Cocktails eingesetzt wurden.

Das vorläufige Ende des breiten militanten Widerstandes wurde mit den Schüssen beim nächtlichen Protest zum Jahrestag der Hüttendorfräumung am 2. November 1987 eingeleitet, bei dem zwei Polizisten erschossen wurden. In der daraufhin folgenden Repressionswelle der Polizei mit hunderten von Wohnungsdurchsuchungen und zahlreichen Festnahmen mit dem Vorwurf des Mordversuches, wurden viele, teils auch belastende Aussagen gegenüber den Ermittlungsbehörden getätigt, bis eine breit angelegte »Anna und Arthur halten das Maul«-Kampagne dem ein Ende bereitete. Dabei gelang es auch mit Hilfe des 1990 erweiterten Paragraph 129a den militanten Widerstand als terroristische Aktivität zu verfolgen.

In der Folge kam es nur noch zu sporadischen militanten Aktionen wie z.B. 1994 zu einem Angriff auf die Startbahn-West mit Zerstörung von Kabelschächten und Stromverteilerkästen sowie 1995 eine Zerstörung mehrerer Glasfaserkabel, mit der auch die Rolle des Internierungslagers im Frankfurter Flughafen im Rahmen des Asylverfahrens thematisiert werden sollte.

Der juristische Widerstand und demonstrative Protest in Form von Montags-Demonstrationen hält bis heute an.

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